Out-of-Home Displays: Interaktive Großbildschirme im öffentlichen Raum

[toc]Out-of-Home Displays werden an unterschiedlichsten öffentlichen Orten immer häufiger für Produkt- und Unternehmenswerbung verwenden. Gleichzeitig steigt das Interesse an Gestensteuerung und anderen modernen Interaktionsmöglichkeiten mit Großbildschirmen durch den Erfolg von Spielekonsolen wie beispielsweise Microsoft Kinect stetig an. Vor diesem Hintergrund liefert der folgende Beitrag zunächst eine kurze Einführung in den Themenbereich „Out-of-Home Displays“ sowie die damit verbundenen Begriffe „Ubiquitous Computing“ und „Pervasive Advertising“. Anschließend werden mögliche Klassifikationskriterien zur Strukturierung  von Out-of-Home Displays erarbeitet und anhand von Beispielen vorgestellt. Am Ende des Artikels erfolgt ein kurzer Ausblick über Nutzungsparadigmen von Out-of-Home Displays, die sich auf die Verbesserung der Informationsversorgung innerhalb von Unternehmen übertragen lassen.

httpvh://www.youtube.com/watch?v=a6cNdhOKwi0

Motivation

Interaktive Großbildschirme und andere Display-Technologien sind mittlerweile allgegenwärtig und werden ständig weiterentwickelt [ref]STALDER, URSULA & BOENIGK, MICHAEL (2009): Out-of-Home-Displays: Digitale Markenkommunikation im öffentlichen Raum. Medien Journal – Zeitschrift für Kommunikationskultur, 1/2009 (33), S. 33-51.[/ref]. Geeignete Nutzungskonzepte mit informationellem Mehrwert für die unternehmensinterne Zusammenarbeit fehlen jedoch, obwohl sich die bereits erfolgreich angewendeten Methoden im Bereich Pervasive Advertising z.T. durchaus auf den Unternehmenskontext übertragen werden könnten. Um dies in einem ersten Schritt zu ermöglichen, werden im vorliegenden Artikel verschiedene Konzepte von Out-of-Home Displays vorgestellt und klassifiziert.

Begriffsdefinitionen

Um für die spätere Beschreibung verschiedener Anwendungen eine ausreichende Begriffsbasis zu schaffen, werden im folgenden Kapitel zunächst die Begriffe „Out-of-Home-Displays“ sowie die damit verbundenen Wissenschaftsbereiche  „Ubiquitous Computing“ und „Pervasive Advertising“ kurz vorgestellt.

Out-of-Home Displays

Der Begriff “Out-of-Home-Displays”, resp. “Out-of-Home-Media” stellt eine Erweiterung und Weiterentwicklung des vor allem im angelsächsischen Raums verbreiteten Begriffs der “Outdoor Media” dar.(Stalder, Ursula)[ref]STALDER, URSULA (2008): Out-of-Home-Displays: Kommunikation im Spannungsfeld von narrativem, medialem und öffentlichen Raum. URL: http://blog.hslu.ch/outofhomedisplays/out-of-home-displays/, zuletzt abgerufen am: 09.10.2011.[/ref]

Out-of-Home-Displays bezeichnen damit alle digitalen Kommunikationsträger, die außerhalb des eigenen Hauses verwendet werden. Sie beruhen auf gemeinsamen technischen Grundlagen und haben gemeinsame medienspezifische Eigenschaften, z.B. Technologie, Informationsgehalt oder Eingabemöglichkeiten, die unterschiedlich genutzt werden. Es existieren unterschiedliche Anwendungsformen für Out-of-Home Displays. Die meisten Anwendungsgebiete sind vergleichbar mit konventionellen Werbe-, Unterhaltungs- und Informationssystemen, wobei sich vier Bereiche herauskristallisieren:

  • Out-of Home-Medien: Infoterminals, Kiosksysteme, etc.
  • Bild-Medien: TV, Videoclips, Film, Podcasts, etc.
  • Display-Medien: TV, PC, Web, MP3-Player, etc.
  • Netzwerk-Medien: Websites, Management-Informationssystemen, etc.

Diese unterschiedlichen Anwendungsgebiete lassen eine Kategorisierung nach verschiedenen konkreten Ausprägungen zu. Ihr Kontext als eigenständige Mediengruppe im medialen, sozialen und räumlichen Umfeld sind dabei die maßgebende Eigenschaft [ref]STALDER, URSULA (2008): Out-of-Home-Displays: Kommunikation im Spannungsfeld von narrativem, medialem und öffentlichen Raum. URL: http://blog.hslu.ch/outofhomedisplays/out-of-home-displays/, zuletzt abgerufen am: 09.10.2011.[/ref].

Ubiquitous Computing

Der Begriff des „Ubiquitous Computing“[ref]Gelegentlich auch als „Pervasive Computing“ bezeichnet.[/ref] beschreibt die allgegenwärtige Informationsverarbeitung, die Datenzugriffsmöglichkeit und die Vernetzung des Alltages mit „intelligenten“ Maschinen und Geräten. Interaktivität, Automatisierung und Ubiquität sind die Eigenschaften, die für dieses Prinzip stehen und im Rahmen von E-Commerce-Szenarien und webbasierten Geschäftsprozessen nutzbar gemacht werden können [ref]MATTERN, FRIEDEMANN (2007): Pervasive Computing. asut Bulletin, /2007 (4), S. 33ff.[/ref]. Das scheinbare Verschwinden der Technologie ist die mitunter wichtigste Eigenschaft:

The most profound technologies are those that disappear. They weave themselves into the fabric of everyday life until they are indistinguishable from it.(Weiser, Mark)[ref] WEISER, MARK (2002): Pervasive Computing. Scientific American, /2002.[/ref]

Für dessen Verwirklichung werden drei Teilen benötigt: günstige und leistungsstarke Computer, Software für ubiquitäre Anwendungen und ein Netzwerk, das alles miteinander verbindet. Anhand dieser aufgezählten Punkte fügt sich Pervasive Computing „unsichtbar“ in die Umwelt ein und verändert das Leben der Gesellschaft [ref] WEISER, MARK (2002): Pervasive Computing. Scientific American, 2002.[/ref]. Neue Technologien wie Sensoren, Netzwerke, Verarbeitungs- und Speichereinheiten ermöglichen die drei Kernprinzipen: Automation, Interactivity und Ubiquity [ref]MÜLLER, JÖRG; ALT, FLORIAN & MICHELIS, DANIEL (2011): Pervasive Advertising. 1. Aufl., . Springer London.[/ref].

Pervasive Advertising

Pervasive Advertising ist eine Zusammenführung der Fachrichtungen Pervasive Computing und Advertising. Advertising beschäftigt sich mit jeglicher Entwicklung von Werbung, um bei potentiellen Kunden Informationen zu vermitteln, Emotionen zu wecken und Reaktionen auszulösen. Neue Erkenntnisse aus der Marktforschung[ref]FLORACK, ARND (2009): Marktforschung – Einführung in die Psychologie der Werbung. URL: http://www.werbepsychologie-online.de/html/marktforschung.html, zuletzt abgerufen am: 10.10.2011.[/ref] argumentieren für das Einbinden von neuen effektiveren und insbesondere ubiquitären Technologien in die Werbung. Aus der Verbindung der beiden Fachrichtungen Advertising und Pervasive (Ubiquitous) Computing geht Pervasive Advertising hervor. Daraus ergibt sich die Möglichkeit, die bestehende Art der Werbung zu verändern. Besonders Personalisierung und das Kreieren eines positiven Verkaufserlebnisses stehen im Vordergrund.

„Pervasive advertising is the use of pervasive computing technologies for advertising purposes.”(Müller et al.)[ref]MÜLLER, JÖRG; ALT, FLORIAN & MICHELIS, DANIEL (2011): Pervasive Advertising. 1. Aufl., . Springer London.[/ref]

Durch die Verbindung mit Ubiquitous Computing bietet Pervasive Advertising im Vergleich zu traditionellen Werbemitteln, wie Plakatwänden oder Litfaßsäulen, fortgeschrittene Darstellungsmöglichkeiten. Pervasive Advertising beschäftigt sich u.a. mit:

  • Symmetric Communication: Das Abgeben der Bestimmungsrechte der Werbemittelbetreiber in die Hände der Nutzer; der Kunde erhält bei der Auswahl der Werbung ein Eintscheidungsrecht.[ref]WAART, PETER VAN & MULDER, INGRID (2009): Meaningful advertising: Pervasive Advertis-ing in the Experience Economy. In: Workshop Pervasive Advertising. Lübeck.[/ref]
  • The Long Tail: Auch Kleinanbietern ist es möglich, durch geringen Einsatz eine effektive und individualisierte Werbekampagne zu starten.[ref]ANDERSON, CHRIS (2006): The Long Tail: Why the Future of Business is Selling Less of More. Hyperion.[/ref]
  • Experiences: Neugier und das Interesse von Personen an neuen, unbekannten Systemen; Die visuellen Eindrücke, das Gefühlte und das daraus Reflektierte sind die drei Ebenen, die Pervasive Advertising anspricht.[ref]NORMAN, DONALD (2003): Emotional Design, Why We Love (or Hate) Everyday Things. Basic Books.[/ref]
  • Personalization and Context Adaptivity: Speichern von Vorlieben und Verhalten von Zielgruppen oder -personen, um den Kontext, in dem eine Werbung steht, besser zu erfassen und für die Darstellung der Werbung berücksichtigen zu können.[ref]MÜLLER, JÖRG; ALT, FLORIAN & MICHELIS, DANIEL (2011): Pervasive Advertising. 1. Aufl., . Springer London.[/ref]
  • Audience Measurement: Messung von Reaktionen der Passanten oder Nutzer, um den Erfolg oder Misserfolg einer Werbekampagne in Zahlen und Daten noch exakter beschreiben zu können.[ref]SCHRAMMEL, JOHANN; MATTHEISS, ELKE; DÖBELT, SUSEN; PALETTA, LUCAS; TSCHELIGI, MANFRED & ALMER, ALEXANDER (2011): Attentional Behavior of Users on the Move Towards Pervasive Advertising Media. In: MÜLLER, JÖRG; ALT, FLORIAN & MICHELIS, DANIEL (Hrsg.): Pervasive Advertising. 1. Aufl., . Springer London, S. 287-309.[/ref]
  • Automated Persuasion: Überzeugungskraft von Pervasive Displays, die auf die allgegenwärtige, teilweise unterbewusste Wahrnehmung setzt, um das Verhalten von Passanten zu beeinflussen und Kunden anzulocken.[ref]REITBERGER, WOLFGANG; MESCHTSCHERJAKOV, ALEXANDER; MIRLACHER, THOMAS; TSCHELIGI, MANFRED; MÜLLER, JÖRG; ALT, FLORIAN & MICHELIS, DANIEL (2011): Ambient Persuasion in the Shopping Context . London: Springer London, S. 309-323.[/ref].

Beispiele für Out-of-Home Displays

In der folgenden Kategorisierung werden die verschiedene Beispiele für Out-of-Home Displays entsprechend ihrer Nutzung näher beschrieben und kurz voneinander abgegrenzt.

Produktmedien

Produktmedien zeichnen sich durch Bildschirme mit Information, Werbung und Unterhaltungsangeboten an belebten Plätzen aus.

Carrefour Live, Schweiz

Die Carrefour Market-Kette mit über 1000 Filialen nutzt ein neues Netzwerk von Bildschirmen, das neben Produktnachrichten auch lokale Werbung und allgemeine Unterhaltung bietet [ref]Stalder, Ursula (2011b): Out-of-Home-Displays: Carrefour Tests Local Advertising. URL: http://blog.hslu.ch/outofhomedisplays/2011/02/23/carrefour-tests-local-advertising-on-its-digital-signage-network/, zuletzt abgerufen am: 30.10.2011.[/ref].

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BBC Launch Kampagne, New York

Während der BBC Launch Kampagne wurden dramatische Fotografien aus Nachrichtensendungen dargestellt, die das Interesse der amerikanischen Bevölkerung an internationalen Nachrichten stärken sollten. Die Rezipienten konnten mit ihrem Handy über wichtige Fragen abstimmen und haben damit unbewusst ein Stimmungsbild der Bevölkerung zu verschiedenen Themen erzeugt[ref]Stalder, Ursula (2008c): Out-of-Home-Displays: BBC World Launch Kampagne. URL: http://blog.hslu.ch/outofhomedisplays/2008/09/30/bbc-world-launch-kampagne-2006/, zuletzt abgerufen am: 01.10.2011.[/ref].

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Architekturmedien

Architekturmedien werden als Markenrepräsentationen in verschiedenen Größenkategorien eingesetzt. Siesind zum einen ein mediales System zur Markeninszenierung (eingebettet in die Architektur), das im Außenbereich an Gebäudefronten oder kompletten Gebäude angebracht ist und zum anderen eine zukunftsträchtige architektonische Inszenierung einer Marke mit Hilfe moderner Technik und Design, um deren Ansehen zu steigern.

Uniqa Tower, Wien

Die Versicherungsgesellschaft Uniqa repräsentiert über die Fassade des Towers hinweg die Unternehmensphilosophie durch die abstrakten und gegenständlichen Motive[ref]Stalder, Ursula (2008m): Out-of-Home-Displays: Uniqa-Tower Wien. URL: http://blog.hslu.ch/outofhomedisplays/2008/09/21/wien-uniqa-tower/, zuletzt abgerufen am: 01.10.2011.[/ref]. Für die visuelle Gestaltung wurde die gesamte Gebäudeoberfläche von mehr als 7000m², bestehend aus einer zweischaligen Glasfassade, genutzt[ref]Whitaker, Tim (2006): LEDs Magazine – Barco covers Vienna building with LED blocks. URL: http://www.ledsmagazine.com/news/3/5/17/1, zuletzt abgerufen am: 09.11.2011.[/ref].

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Swarovski Kristallwelten, Wattens

Die Firma Swarovski hat in Wattens, Österreich, eine Fantasiewelt geschaffen, die sich über 8500m² erstreckt und das Motto „The Art of Crystal Fiction“ trägt[ref]Stalder, Ursula (2009b): Out-of-Home-Displays: Swarovski Kristallwelten Wattens. URL: http://blog.hslu.ch/outofhomedisplays/2009/07/23/swarovski-kristallwelten-wattens/, zuletzt abgerufen am: 01.10.2011.[/ref].

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Forschungsmedien

Forschungsmedien sind interaktive (beispielsweise gestengesteuerte) Displays, die heute meist noch nicht in öffentlichen Anwendungen genutzt werden, sondern sich in der Entwicklung befinden. Es handelt sich meist um Prototypen, die zur Erforschung und Verbesserung von Gestensteuerung, Fingererkennung, 3D-Koordinaten-Verfolgung oder Multi-User-Nutzbarkeit dienen[ref]DEEG, ALEX (2010): 3-D Gesture-Based Interaction System Unveiled. URL: http://idw-online.de/pages/de/news380200, zuletzt abgerufen am: 01.10.2011.[/ref]. Potential ist im Spiele-, Unternehmens-, E-Learning- und Simulationssektor vorhanden [ref]KLUCZNIOK, JAN (2010): Wissenschaft: Fraunhofer-Institut entwickelt 3D-Multitouch ohne Touch – NETZWELT. URL: http://www.netzwelt.de/news/83424-wissenschaft-fraunhofer-institut-entwickelt-3d-multitouch-ohne-touch.html, zuletzt abgerufen am: 01.10.2011.[/ref]. Die Steuerung erfolgt über Bewegung der Hände und Finger, welche über verschiedene Kamerasysteme eingefangen digitalisiert und umgesetzt werden.

Omnitouch

Das System besteht aus einer Kamera und einem Pico-Projektor, die zusammen überall einen Touchscreen erzeugen können[ref]Pluta, Werner (2011): Omnitouch: Die Welt ist ein Touchscreen. URL: http://www.golem.de/1110/87166.html, zuletzt abgerufen am: 19.10.2011.[/ref].

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iPoint Presenter

Mit dem iPoint Presenter, einer Entwicklung des Fraunhofer Heinrich-Hertz-Instituts, sollt die Mensch-Computer Interaktion, wie sie aus dem Film „Minority Report“ bekannt ist, verwirklicht werden[ref]Quandel, Gudrun (2011c): Heinrich-Hertz-Institut – iPoint Presenter. URL: http://www.hhi.fraunhofer.de/de/abteilungen-am-hhi/interaktive-medien-human-factors/uebersicht/hand-interaction/exponate/ipoint-presenter/, zuletzt abgerufen am: 01.10.2011.[/ref]. Die Technologie ermöglicht es dem Nutzer, den Computer mittels einfacher Gesten auch ohne direkte Berührung zu bedienen[ref]Kötter, Yasmin (2008): PCs steuern wie im Film: Der iPoint Presenter (Video) – NETZWELT. URL: http://www.netzwelt.de/news/77305-pcs-steuern-film-ipoint-presenter-video.html, zuletzt abgerufen am: 10.11.2011.[/ref].

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Kulturell-Informelle Medien

Als viertes Einsatzgebiet existieren kulturell-informelle Medien, die sich durch interaktive Informations- und Orientierungssysteme, sowie digitale künstlerische Gestaltungsmöglichkeiten im öffentlichen Raum abgrenzen lassen.

Spots Facade, Berlin

Die Spots Medienfassade in Berlin besteht aus 1800 Leuchtstoffröhren, die in einer Matrix angeordnet und individuell steuerbar sind. Das Gebäude am Potsdamer Platz ist elf Stockwerke hoch und wurde durch die Glasvorhangfassade zu einem riesigen, 1350m² großen Display[ref]Gruentuch, Armand & Almut, Ernst (2006): Convertible City – Projects – SPOTS Licht- und Medienfassade. URL: http://www.convertiblecity.de/projekte_projekt09_en.html, zuletzt abgerufen am: 01.10.2011.[/ref].

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ibex Touchboard, Luzern

Seit dem 01. Januar 2010 ist in der Lobby des Hotels Continental in Luzern das Ibex Touchboard aufgestellt. Das Informations-Tool bietet den hauseigenen Gästen Informationen über das Wetter, aktuelle Nachrichten, lokale Veranstaltungen, Webcam-Übertragungen, z.B. vom Gipfel des nächsten Berges, Kino- und Restauranttipps und vieles mehr[ref]Stalder, Ursula (2010): Out-of-Home-Displays: iBex Touchboard. URL: http://blog.hslu.ch/outofhomedisplays/2010/01/13/das-ibex-touchboard-interaktiver-flachbildschirm-zum-beruhren/, zuletzt abgerufen am: 01.10.2011.[/ref].

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Klassifizierung von Out-of-Home Displays

Die verschiedenen Out-of-Home Displays können nach den folgenden Vergleichskriterien klassifiziert werden. Diese Kriterien werden im Anschluss anhand eines Beispiels in einer Klassifizierungstabelle dargestellt.

Vergleichkriterien

  • Anzeigetechnologie: Dieses Kriterium gibt die genutzte Displaytechnologie an, basierend auf den Herstellerangaben oder weiterführender Literatur.
  • Größe: Als Größe wird bei Bildschirmen die Diagonale in Zoll oder die Maße in Quadratmeter angegeben.
  • Betrachtungs- /Benutzungsabstand: Je nach Funktion des Displays gibt es entweder nur einen Betrachtungs- oder aber zusätzlich einen Benutzungsabstand. Diese Abstände sind in vier Zonen eingeteilt: Eine persönliche Interaktions-, eine subtile Interaktions-, eine implizite Interaktions- und eine Außenzone[ref]Michelis, Daniel (2009): Interactive Displays: Perception, Awareness, and Interaction « Interactive Displays in Public Space. URL: http://magicalmirrors2006.wordpress.com/2008/07/02/interactive-displays-perception-awareness-and-interaction/, zuletzt abgerufen am: 18.10.2011.[/ref].
  • Multiuserfähigkeit: Multiuserfähigkeit beschreibt die Eigenschaft eines Displays, mit mehreren Benutzern gleichzeitig zu interagieren[ref]Dempski, Kelly & Harvey, Brandon (2006): Multi-User Display Walls : Lessons Learned. In: Conference on Human Factors in Computing Systems. Montreal, Kanada, S. 1-4.[/ref].
  • Nutzung: Die vorgestellten Modelle können entweder interaktiv sein oder zur reinen Darstellung verwendet werden.
  • Verwendungszweck: Die Verwendungszwecke beinhalten z.B. Werbung, Informationsversorgung, Aufmerksamkeitserregung oder Markenrepräsentation und sind eng mit der Zuordnung in die jeweilige Kategorie verbunden.
  • Informationsgehalt: Dieses Kriterium gibt das Verhältnis von reiner Werbung und Informationen an, z.B. Aktualität von Nachrichten.
  • Eingabe: Die Eingabe an Displays kann über fünf Kategorien erfolgen: optisch, haptisch, akustisch, über Peripheriegeräte und Umwelteinflüsse.
  • Ausgabe: Im Vergleich zur Eingabe existieren bei der Ausgabe des Displays an Rezipienten vier Kategorien: optisch, haptisch, akustisch und Peripheriegeräte.
  • Umgebung: Out-of-Home Displays finden sich quasi überall im öffentlichen Raum[ref]STALDER, URSULA & BOENIGK, MICHAEL (2009): Out-of-Home-Displays: Digitale Markenkommunikation im öffentlichen Raum. Medien Journal – Zeitschrift für Kommunikationskultur, 1/2009 (33), S. 33-51.[/ref]. Dieses Kriterium liefert daher eine Einschränkung der genaueren Umgebung, in der das System installiert wurde.
  • Kategorie: Die Out-of-Home Displays werden in die im vorherigen Abschnitt vorgestellten Kategorien zugeordnet.

Beispiel: Hauptbahnhof Zürich

Das e-advertising Unternehmen hat im 2. Untergeschoss des Bahnhofs den ersten interaktiven Ad Screen der Schweiz eingerichtet. Auf dem Display wird abwechselnd, im 30 min Takt, Werbung für Coca-Cola und den VW Golf GTI angezeigt. Durch eine neue Softwaretechnik, die von der Vanija GmbH bereitgestellt wurde, soll die Werbung realistischer werden [ref]Mettler, Bruno (2011): eAd lanciert interaktives eBoard im HB Zürich… | Vanija – Agentur für interaktive Erlebnisse. URL: http://www.vanija.ch/2009/06/ead-lanciert-interaktives-eboard-im-hb-zurich/, zuletzt abgerufen am: 30.10.2011.[/ref].

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Kriterium Beschreibung
Anzeigetechnologie LCD
Größe 82″
Betrachtungs- /Benutzungsabstand implizite und subtile Interaktionszone
Multiuserfähigkeit Reaktion auf einen Benutzer, mehrere Betrachter
Nutzung Darstellung von Werbung, indirekte Interaktion möglich
Verwendungszweck Werbung
Informationsgehalt gering, nur Produktwerbung
Eingabe Optisch über Bewegungssensor
Ausgabe Optisch, Animation an Bewegung angepasst
Umgebung öffentlicher Raum (Bahnhofspassage)
Kategorie Ad Screen am Point of Transportation

Mehrwerte für Unternehmen

Aus den betrachteten Out-of-Home Displays können verschiedene potenzielle Mehrwerte beim Einsatz von Großbildschirmen zur Verbesserung der Informationsversorgung in Unternehmen abgeleitet werden:

  • User Attraction und die Nutzung von Mobile Devices wie im Beispiel der BBC Launch Kampagne: Dadurch wird die Attraktivität gesteigert und zur Interaktion mit einem eigenen Gerät, z.B. einem Smartphone angeregt.
  • Gestensteuerung als moderne Interaktionsmöglichkeit wie im Beispiel des iPoint Presenter: Durch diese moderne Form der Interaktion kann die Steuerung intuitiver gestaltet und für ein größeres Zielpublikum nutzbar gemacht werden.
  • Mehrbenutzerfähigkeit, bzw. die Mehrbetrachterfähigkeit, wodurch mehrere Personen gleichzeitig an einem Display arbeiten können: Das kollaborative Arbeiten kann effektiver und einfacher durchgeführt werden.
  • Die Informationsdarstellung auf einem Display: Aus dem Beispiel des iBex Touchboard können geeignete Visualisierungsarten abgeleitet werden, um die benötigten Informationen auf sinnvolle Weise darzustellen. Dadurch kann ein Informationsüberfluss verhindert werden.

Zusammenfassung

Out-of-Home Displays sind mittlerweile allgegenwärtig und werden ständig weiterentwickelt[ref]STALDER, URSULA & BOENIGK, MICHAEL (2009): Out-of-Home-Displays: Digitale Markenkommunikation im öffentlichen Raum. Medien Journal – Zeitschrift für Kommunikationskultur, 1/2009 (33), S. 33-51.[/ref]. Geeignete Nutzungskonzepte mit informationellem Mehrwert für Unternehmen fehlen jedoch. Neue Visualisierungs- und Interaktionsmöglichkeiten, z.B. Multi-Touch, Gestensteuerung oder synchron-mehrbenutzerfähige Darstellung finden aktuell fast ausschließlich Anwendung in der Werbe- und Unterhaltungsbranche.

Gestensteuerungsmöglichkeiten werden beispielsweise bereits durch verschiedene Systeme erfolgreich erforscht [ref]DEEG, ALEX (2010): 3-D Gesture-Based Interaction System Unveiled. URL: http://idw-online.de/pages/de/news380200, zuletzt abgerufen am: 01.10.2011.[/ref] [ref]KLUCZNIOK, JAN (2010): Wissenschaft: Fraunhofer-Institut entwickelt 3D-Multitouch ohne Touch – NETZWELT. URL: http://www.netzwelt.de/news/83424-wissenschaft-fraunhofer-institut-entwickelt-3d-multitouch-ohne-touch.html, zuletzt abgerufen am: 01.10.2011.[/ref] [ref]OBLONG INDUSTRIES (o. J.): Oblong industries, inc. URL: http://oblong.com/, zuletzt abgeru-fen am: 01.10.2011.[/ref] [ref]QUANDEL, GUDRUN (2011): Heinrich-Hertz-Institut – iPoint 3D. URL: http://www.hhi.fraunhofer.de/de/departments/interactive-media-human-factors/overview/hand-interaction/exhibit/ipoint3d0/, zuletzt abgerufen am: 01.10.2011.[/ref].
Schwerpunktmäßiger Nutzungskontext sind allerdings Unterhaltungssysteme [ref]HOLZBAUER, FLORIAN (2010): Move , Kinect, WiiMote, Bewegungssteuerung im Test. URL: http://www.chip.de/artikel/Move-Kinect-WiiMote-Bewegungssteuerung-im-Test_44432699.html, zuletzt abgerufen am: 01.10.2011.[/ref] , obwohl Gestensteuerung als zukunftsträchtiges Interaktionsverfahren gilt. Out-of-Home-Medien bieten darüber hinaus viele weitere Verwendungsmöglichkeiten[ref]HILDEBRAND, ALEX (2010): APG | Out of home | Deshalb «out of home». URL: http://www.apg.ch/de/out-of-home/darum/, zuletzt abgerufen am: 30.10.2011.[/ref]. Durch Übertragung der Konzepte können Unternehmen die vorhandenen Mehrwerte für sich nutzen, um die unternehmensweite Informationsversorgung  zu verbessern.

Diesbezügliche Ansätze finden sich u.a. hier auf der Plattform im Bereich CommunityMirrors – Interaktiven Großbildschirmen zur Verbesserung der peripheren Informationsversorgung im Unternehmenskontext.

Evaluation von Zeigegeräten nach ISO 9241-9

[toc]Die ISO Norm 9241 ist eine internationale Norm, die Richtlinien zur Interaktion zwischen Mensch und Computer bereitstellt. Neben Vorgaben zur Ergonomie des Arbeitsplatzes und zur Gestaltung der Bildschirminteraktion beschreibt der Teil 9 mit dem Titel „Anforderungen an Eingabegeräte – außer Tastaturen“ neben einer Vielzahl von Begriffsbestimmungen auch Angaben für Maße der Gebrauchstauglichkeit eines Interaktionsmechanismus. So wird die Gebrauchstauglichkeit nach ISO 9241-9 durch die Effektivität, die Effizienz und die Zufriedenheit des Nutzers bei der Nutzung eines Gerätes in einem gewissen Anwendungskontext bestimmt. [ref] Deutsches Institut für Normung (2002): ISO 9241-9 Ergonomische Anforderungen für Bürotätigkeiten mit Bildschirmgeräten Teil 9: Anforderungen an Eingabemittel − ausgenommen Tastaturen. S.13.[/ref] Außerdem enthält die Norm neben Hinweisen zur Ergonomie und Nutzungsanforderungen bei der Gestaltung von Eingabegeräten außer Tastaturen im Anhang B auch Informationen zur Bewertung der Effektivität und Effizienz der Interaktionsmechanismen. [ref]Deutsches Institut für Normung (2002): ISO 9241-9 Ergonomische Anforderungen für Bürotätigkeiten mit Bildschirmgeräten Teil 9: Anforderungen an Eingabemittel − ausgenommen Tastaturen. S. 29 ff.[/ref] Zur Evaluation wird demnach ein Fitts’ Law Test verwendet. Diese Evaluationsmethode wird nachfolgend genauer erläutert, indem zunächst die ursprüngliche Evaluation eines Zeigegerätes nach Fitts vorgestellt wird und anschließend das daran angelehnte Verfahren nach ISO 9241-9 beschrieben wird.

Geschichte der Fitts‘ Law Evaluation

Der in der ISO 9241-9 beschriebene Testablauf zur Bewertung von Zeigegeräten basiert auf dem in der HCI auch vor der Normierung häufig zur Evaluation von Zeigegeräten genutzten Fitts’ Law Modell. Der ursprünglich von Paul M. Fitts durchgeführte Testablauf diente der Überprüfung, ob eine schnelle, gezielte Bewegung der Hand durch die physische Stärke des Muskelapparates oder die Geschwindigkeit der Informationsverarbeitung des menschlichen Nervensystems limitiert wird. [ref]Fitts, Paul M. (1954): The Information Capacity of the Human Motor System in Controlling the Amplitude of Movement. Journal of Experimental Psychology, 3/1954 (121), S.381.[/ref] Dazu mussten die getesteten Personen mit unterschiedlich schweren Stiften abwechselnd zwei Aluminiumstreifen mit vorgegebener Breite und festem Abstand berühren.

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Die Veränderung der Breite der Aluminiumstreifen und des Abstands der Streifen diente dann zur Veränderung des Schwierigkeitsgrades. Zur Bestimmung des Schwierigkeitsgrades nutzte Fitts ein Theorem von Shannon zur Bestimmung der Kapazität eines Kommunikationskanals in bit durch ID= log2(2A/ W) mit dem Schwierigkeitsindex ID in bit, der Zielentfernung A und der Zielbreite W. [ref]Shannon, Claude E. (1948): The mathematical theory of communication. 1963. M.D. Computing : Computers in Medical Practice, 4/1948 (14), S. 43.[/ref] Daher wird auch nach der heutigen ISO Norm die Schwierigkeit eines Ziels in bit angegeben und die Leistung eines Zeigegerätes in bit/s gemessen. Das Ergebnis des Tests war eine geringe Abweichung der Bewegungszeiten bei unterschiedlichem Gewicht des Stifts, woraus Fitts folgerte, dass nicht die physische Muskelstärke die Bewegungszeit einschränkt. Fitts’ Law sagt außerdem aus, dass ein linearer Zusammenhang zwischen dem Schwierigkeitsindex eines Ziels und der Auswahlzeit besteht.

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Evaluation nach ISO 9241-9

Die ISO Norm bietet zur Bewertung der Effizienz und Effektivität von Zeigegeräten verschiedene Verfahren, die je nach Interaktionsform ein unterschiedliches Vorgehen zur Datensammlung erfordern.

Dabei unterscheidet die Norm nach folgenden Interaktionsformen[ref]Deutsches Institut für Normung (2002): ISO 9241-9 Ergonomische Anforderungen für Bürotätigkeiten mit Bildschirmgeräten Teil 9: Anforderungen an Eingabemittel − ausgenommen Tastaturen. S. 30.[/ref]:

  • Zeigen
  • Auswählen
  • Ziehen
  • Nachziehen
  • Freihandeingabe

Je nach vorwiegender Interaktionsform bei der Interaktion mit der Mensch-Computer Schnittstelle hat auch der Versuchsaufbau ein anderes Erscheinungsbild. Während Auswahltests verschiedene Objekte auf dem Display darstellen, die der Nutzer mit dem Zeiger erreichen und auswählen muss, sind Nachziehtest so aufgebaut, dass ein Cursor-Objekt auf einer vorgegebenen Bahn zwischen zwei Randbegrenzungen bewegt werden muss. Der Anordnung von Zeiger und Zielen kann dem folgenden Bild entnommen werden:

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Durch die Testform wird auch die Messung der Daten zur Bewertung des Interaktionsmechanismus bestimmt. Die nachfolgenden Abschnitte beschäftigen sich mit der Bewertung von Zeigegeräten bei Zeige-, Auswahl- und Ziehaufgaben.

Wahl der Schwierigkeitsindizes

Der Schwierigkeitsgrad ID bei einem Auswahltest wird durch die Entfernung des Zeigers zur Zielmitte in der jeweiligen Bewegungsrichtung und der Größe des Ziels nach folgender Formel bestimmt[ref]Soukoreff, R. William & Mackenzie, I. Scott (2004): Towards a standard for pointing device evaluation, perspectives on 27 years of Fitts? law research in HCI. International Journal of Human-Computer Studies, 6/2004 (61), S. 755 bzw. Deutsches Institut für Normung (2002): ISO 9241-9 – Ergonomische Anforderungen für Bürotätigkeiten mit Bildschirmgeräten Teil 9: Anforderungen an Eingabemittel − ausgenommen Tastaturen. S. 31.[/ref]:

ID = log2 ((D/W)+1) = log2 ((D+W)/W)

Dabei ist D die Zielentfernung (Distance) und W die Zielbreite (Width). Für die Wahl der Maßeinheit für Zielentfernung und Zielbreite macht die ISO Norm keine Vorgaben, jedoch wird darauf hingewiesen, dass eine konsistente Nutzung der gewählten Einheit erforderlich ist. Nach ISO Norm gilt folgende Einordnung der Schwierigkeitsindizes auf der logarithmischen Skala:

  • 2 < ID <= 4 | leichtes Ziel
  • 4 < ID <= 6 | mittleres Ziel
  • ID > 6 | schweres Ziel

Die verwendeten Schwierigkeitsindizes sollten bei einer konkreten Evaluation in einem Bereich zwischen 2 und 8 liegen. Eine Kombination aus Zielentfernung und Zielbreite wird als Kondition bezeichnet. Je mehr Konditionen der Testperson präsentiert werden, desto aussagekräftiger ist das Bewertungsergebnis für das jeweilige Zeigegerät. Dabei ist jedoch zu beachten, dass eine Kondition dem Nutzer 15-25 mal angezeigt werden sollte. Welche Konditionen realisiert werden können, kann von dem verwendeten Display und der genutzten Testform abhängen.

Erhebung der Messwerte

Wurde die für das Einsatzszenario des Eingabegerätes geeigente Testform gewählt und eine Menge von Entfernungs-Zielbreite-Kombinationen festgelegt, wird eine korrekte Erfassung der Nutzerinteraktion während Durchführung des Tests vorgenommen. Dabei sind einige Maße zu erheben, die für die spätere Bewertung notwendig sind. Eines dieser Maße ist die Bewegungszeit MT (Movement Time), also die Zeit, die ab dem Moment vergeht, ab dem der Nutzer den Zeiger in Zielrichtung in Bewegung setzt bis das Ziel ausgewählt wurde.

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Dabei dürfen die Reaktionszeit des Nutzers bis zum Inbewegungnetzen des Zeiger und die Verweilzeit über dem Ziel, die bei manchen Interaktionsmechanismen zum Auslösen des Auswahlevents nötig ist, nicht in der Bewegnungszeit enthalten sein. Außerdem sollten der Start- und der Endpunkt der Bewegung sowie die Zielmitte erfasst werden und eventuelle „Fehler“ (falsche Auswahlevents) wenn sich der Zeiger nicht innerhalb des Ziels befindet, dokumentiert werden. Im Rahmen der Evaluation wird der entwickelte Mechanismus zur Erfassung und Dokumentation der Messwerte für die gewählte Testform dann von einer möglichst breiten und repräsentativen[ref]Insbesondere zum gewünschten Einsatzszenario passend.[/ref] Grundgesamtheit an Testpersonen genutzt.

Anpassung der Daten

Wurden die beschriebenen Messwerte bei der Durchführung des gewählten Testdurchlaufs erhoben, kann eine Anpassung der Schwierigkeitsindizes erfolgen, um den tatsächlich erzielten Schwierigkeitsindex widerzuspiegeln. Dieser sog. „effektive Schwierigkeitsindex“ wird für jede Kondition (also Zielentfernungs-Zielbreite-Kombinationen) errechnet. Dazu ist zunächst die effektive Zielbreite We notwendig. Diese berechnet sich aus der Standardabweichnung der Entfernung zwischen Zielmitte und Auswahlposition multipliziert mit 4,133:

We = 4,133 * StADistanz zur Zielmitte

Die Berechnung des effektiven Schwierigkeitsindexes erfolgt dann auf Basis folgender Formel:

IDe = log2 ((D/We)+1) = log2 ((D+We)/We)

Ist außerdem der Start- und Endpunkt der Zeigerbewegung bekannt, errechnet man zunächst die effektive Zielentfernung De aus dem Mittelwert der Distanz zwischen Start- und Endpunkt für alle ausgewählten Ziele der jeweiligen Kondition. Anschließend lässt sich der effektive Schwierigkeitsindex IDe folgendermaßen berechnen:

IDe = log2 ((De/We)+1) = log2 ((De+We)/We)

Durch die Anpassung des Schwierigkeitsindex an die tatsächlich vom Nutzer erzielten Ergebnisse wird der lineare Zusammenhang zwischen Schwierigkeitsindex eines Ziels und der zur Auswahl des Ziels benötigten Zeit verstärkt.[ref]Soukoreff R. William, Mackenzie I. Scott (2004): Towards a Standard for Pointing Device Evaluation, Perspectives on 27 Years of Fitts‘ Law Research in HCI. International Journal of Human-Computer Studies. 61(6): S. 766.[/ref]

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Bewertung anhand des Durchsatzes

Der Durchsatz ist ein Maß, das die Leistungfähigkeit des Zeigegerätes im Hinblick auf die ausgewählte Testaufgabe quantifiziert. Es kombiniert sowohl die Präzision als auch die Geschwindigkeit eines Interaktionsmechanismus zu einem vergleichbaren Wert. Das Maß für die Präzision ist dabei der zuvor beschrieben effektive Schwierigkeitsindex IDe jederKondition. Das Maß für die Geschwindigkeit ist die durchschnittliche Auswahlzeit der Ziele einer Kondition tm. Der Durchsatz T (Throughput) eines Zeigegerätes mit der Maßeinheit bit ergibt sich aus folgender Summe über alle x unterschiedlichen Konditionen:

T = ∑(IDe/tm)

Das Maß T erlaubt dann einen Vergleich der Leistungsfähigkeit eines Zeigegerätes bei verschiedenen Aufgaben oder verschiedener Zeigegeräte bei derselben Aufgabe. Zusätzlich kann mittels linearer Regression anhand der Wertepaare (IDe,tm) der einzelnen Konditionen überprüft werden, ob ein linearer Zusammenhang zwischen dem effektiven Schwierigkeitsindex und der dafür benötigten Auswahlzeit besteht und das Zeigegerät sich somit gegebenenfalls konform zu Fitts‘ Law verhält.

Praktische Anwendung

Geht man nach den beschrieben Schritten vor, wird mit dem Durchsatz ein Maß gewonnen, dass einen Vergleich verschiedener Eingabegeräte erlaubt. Daher ist die Evaluation nach ISO 9241-9 eine geeignete Methode, um beispielsweise verschiedene natürliche Interaktionsmechanismen zu vergleichen.
In Kürze folgt hierzu ein weiterer Bericht zu einer durchgeführten Evaluation über die Eignung verschiedener Eingabegeräte für die Steuerung eines großen Wandbildschirms unter Einhaltung der ISO-Vorgaben. Dabei wurden die Eigenschaften von fünf Interaktionsmechanismen aus unterschiedlichen Entferungen zu einem großen Wandbildschirm untersucht. Konkret handelte es sich dabei um die Nintendo Wii Remote, die Logitech MX Air Mouse, einen Friendlyway d-sign 52 Touchscreen, einen Microsoft Kinect Sensor und ein HTC Magic Smartphone.

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